Insel Blog

Kerstins San Pietro Geschichte

Im Februar 1990 war ich noch Mittelmeer-Neuling. Zum ersten Mal bin ich damals auf die Insel San-Pietro gekommen. Mit DDR-Reisepass und der amtlichen Genehmigung der italienischen Botschaft, dass ich einreisen darf. Schon damals war ich vollkommen fasziniert von der kleinen Hafenstadt Carloforte, von meinem ersten Cappuccino, vom türkisfarbenen Meer und von der ungewöhnlichen Flora und Fauna, die ich damals nur aus Büchern kannte. Als die erste Eidechse in „echt“ vor meinen Augen auftauchte, habe ich mich so erschrocken, dass mein lauter Schrei das arme Reptil hoch in die Luft springen ließ. Die Nummer war Zirkusreif. Zum Glück haben wir unsere erste Begegnung beide überlebt.

35 Jahre später sitze ich in der Casa Claudia mit WLAN, Strom und Klimaanlage. Ja, die Zeiten ändern sich und ein bisschen zeitgemäßer Komfort ist mit zunehmenden Alter auch nicht schlecht. Aber gleichzeitig genieße ich es, dass vieles hier auf San-Pietro so geblieben ist wie vor 35 Jahren. Carloforte ist immer noch die kleine schnucklige Hafenstadt, der Cappuccino dort ist immer noch der Beste weit und breit und Felsen, Meer und Macchia sind ohnehin äußerst beständige Zeitgenossen. Auch deshalb kommen wir immer wieder gern hierher. Die Welt verändert sich, wahrlich nicht immer zum Besten, aber Carloforte und San-Pietro bleiben ein bisschen wie in alten Zeiten.

 

Mein Jubiläumsbesuch auf der Insel fiel diesmal in die Spargelzeit. Wilden grünen Spargel gibt es hier einfach so zum selbst sammeln. Kurz gekocht, mit wenig Butter bestrichen und mit Parmesan bestreut, ist er eine wahre Köstlichkeit. Der Frühling ist ohnehin so eine wunderbar grüne Jahreszeit auf der Insel. Es regnet wenigstens ab und zu und alles, was sich im Sommer tief in der Erde vor der Hitze versteckt, sprießt im Frühling in voller Pracht. Turteltauben, der laut rufende Kuckuck und der Eleonorenfalke, der in den Klippen auf San Pietro brütet, paaren sich und machen Lust auf Frühlingsgefühle.

Im Sommer ist es mir zu heiß auf Sardinien. Es wird leider auch immer trockener. Unsere Zisterne muss im Sommer ständig aufgefüllt werden, weil es insgesamt zu wenig regnet. Die Zisterne versorgt das Haus mit Wasser. Es hat keinen Anschluss an das kommunale Trink- und Abwassernetz. Das in der Zisterne gesammelte Regenwasser nutzen wir zum Kochen und Waschen. Zum Trinken holen wir Wasser aus dem Supermarkt. Jahrzehntelang hat das System sehr gut funktioniert. Seit ein paar Jahren aber müssen wir stets im Sommer Wasser mit dem Wasserwagen bringen lassen, weil die Regenwassermenge nicht mehr ausreicht. Wir haben nun überlegt, ein Trocken-WC einzubauen. Noch fehlen uns dafür Erfahrungen. Funktioniert das auch wirklich? Riecht es nicht unangenehm? Viele Einwohner lassen inzwischen Brunnen bohren, um an das Wasser in den tiefen Gesteinsschichten der Insel zu kommen. Wir versuchen es nach wie vor noch mit einem sparsamen Umgang mit dem kostbaren Nass.

In diesem Urlaub aber hat es mehrfach geregnet. Auch wenn Regen auch immer ein bisschen die Urlaubsstimmung trübt, freuen wir uns drüber. So wird die Zisterne wieder voller. Und das Schöne an einer Insel ist auch, dass es ganz selten den ganzen Tag über regnet. Zwischendurch gibt es immer sonnige Lichtblicke und die nutzen wir für kurze und manchmal auch längere Wanderungen auf der Insel. Oder wir besuchen unseren italienischen Nachbarn Sergio. Er ist vor knapp 30 Jahren auf die Insel gekommen und hat mit seiner Sandra eine Ruine in unserer Nachbarschaft ausgebaut. Die beiden sind von Turin nach San Pietro gezogen, um hier nach dem Arbeitsleben, ruhiger und mit der Natur verbunden zu leben. Yoga gehörte ebenso zu ihrem täglichen Programm wie eine ausgewogene Ernährung. Sandra ist inzwischen verstorben. Sergio genießt es deshalb sehr, wenn wir da sind und gemeinsam mit ihm essen. Diesmal hat er Fisch besorgt frisch vom Fischer in Carloforte. Jeden Morgen um 8 Uhr steht der Fischer mit seinem Nachtfang auf dem Markt in Carloforte. Heute gibt es Schwertfisch. Sergio erklärt uns die Zubereitung – Zwiebeln, Kapern und Oliven in Olivenöl und den Fisch kurz anbraten, fertig.  Guter Fisch braucht keine weiteren Zutaten, sagt er und hat wie meistens Recht.

Natürlich waren wir auch an unseren Stränden. Eigentlich sind all die kleinen Buchten mit dem weißen Sand und dem türkisfarbenen Meer Lieblingsstrände. Unsere Casa liegt inmitten der Insel, abgeschieden von touristischen Pfaden und sonnenhungrigen Menschen. Dafür ist der Weg zu den Stränden aber etwas länger. Mit dem Rad oder Moped oder Auto ist es aber nicht weit. Die Insel ist ja auch nur rund 54 Quadratkilometer groß. Von Juni bis September gibt es an manchen Stränden kleine Imbiss-Buden. Meist aber ist alles so wie die Natur es geschaffen hat. Wer einen Sonnenschirm braucht, muss ihn mitbringen und viele Familie kommen mit Kühltaschen für die Verpflegung. Wichtig ist, dass alles, was zum Meer gebracht wurde, wieder mitgenommen wird. Und zum Glück halten sich die meisten daran. Im April waren wir diesmal allein am Strand. Trotz 24 Grad Lufttemperatur und 17 Grad Wassertemperatur gehen die Carlofortiner im April nicht baden. Und Touristen gibt es um diese Zeit kaum. Überhaupt kommen nicht viele Touristen nach San Pietro. Es gibt keine Bettenhochburgen und Ferienhaussiedlungen. Selbst das große Hotel direkt am Strand Caletta wurde zwar schon zweimal neu gebaut, aber nie eröffnet. Nun steht es als Lost Places in schönster Lage.

Touristen, die nach San Pietro kommen, sind meist Tagesausflügler. Sie kommen morgens von Sardinien und fahren abends wieder. Die Erkundung der kleinen Hafenstadt Carloforte gehört dabei zum Ausflugsprogramm. Korallentaucher von der Insel Tabarca vor der Küste Tunesiens haben sie 1738 gegründet. König Emanuel III. von Savoyen hatte ihnen die unbewohnte Insel San Pietro angeboten als Ausgleich für die Verluste beim Korallenabbau. Zu Ehren dieses Königs nannten sie den Ort Carloforte – Karl der Starke. 1798 wurde Carloforte von Piraten überfallen, rund 900 Tabarchiner wurden gefangen genommen und als Sklaven in Tunis gehalten. Zeugnis dieser Barbareninvasion ist die noch immer erhaltene Stadtmauer. Die Sprache der Tabarchiner entspricht der ligurischen Sprache. Das Carlofortiner Ligurisch ist bis heute ein eigener Dialekt, den rund 80 Prozent der rund 6000 Einheimischen sprechen. Unsere sardische Freundin Rosanna kennt sich mit der Geschichte ihrer Heimatinsel sehr gut aus und bietet auch Führungen an.

Wir haben inzwischen wieder die Heimreise angetreten. Noch ruft das Arbeitsleben in Deutschland. Vielleicht ziehen wir eines Tages ganz nach San Pietro. Dann halten wir Hühner und Schafe und werden zu Selbstversorgern. Aber das ist dann schon wieder eine andere Geschichte

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